BL13-News 05/25

Die Universitätsgewerkschaft informiert

Der Jahreswechsel war geprägt von Regierungsverhandlungen auf Bundesebene, die am Ende einige Überraschungen mit sich brachten. Mit Eva-Maria Holzleitner gibt es seit Anfang März eine Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung. Wir sind gespannt, ob neue Impulse im Wissenschafts- und Forschungsbereich gesetzt werden.

In dieser Nummer teilen wir unsere erste Einschätzung zum Regierungsprogramm. Ein Rückblick auf die Diskussionsveranstaltung „Arbeiten in der Wissenschaft – Perspektiven schaffen“ von Anfang April in der FAKTory in Wien findet sich ebenso wie ein Ausblick auf die anstehenden Senats- sowie Betriebsratswahlen an vielen Universitäten. 

Über Themenvorschläge und weitere Rückmeldungen freut sich das BL13-Redaktionsteam. Einfach per eMail an redaktion.bl13symbolgoedpunktat
 


Podiumsdiskussion: Arbeiten in der Wissenschaft - Perspektiven schaffen

Nachlese zur Veranstaltung in der FAKTory Wien

Am 3. April 2025 fand in der FAKtory die Dialogveranstaltung „Perspektiven schaffen: Arbeiten in der Wissenschaft – Wege aus dem Prekariat“ statt. Mit rund 70 Teilnehmer:innen vor Ort und weiteren 70 Zuschauer:innen online war die Veranstaltung sehr gut besucht. Am Podium diskutierten Maria John, Vera Pfanzagl, Mario Keller (Moderation), Gerda Müller und Wolfgang Kozak, wie sich die Situation verbessern ließe.

Die Veranstaltung war inhaltlich durch offene und kritische Beiträge geprägt. Zum Auftakt stellte Julia Partheymüller die NUWiss-Studie zur Beschäftigungssituation an österreichischen Universitäten vor. Die im Jahr 2023 durchgeführte Studie zeigt, dass der Großteil der Beschäftigten keinen Zugang zu langfristigen Arbeitsverträgen oder planbaren Karrierewegen hat. Dies führt zu Unsicherheiten, die das gesamte Wissenschaftssystem belasten.

Diese Situation wurde bereits mehrfach diagnostiziert. Wenn wir uns die Dimensionen dazu vor Augen führen, ist es ernüchternd, dass fast 80 % der ca. 45.000 Personen des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Österreichs Universitäten von Befristungen betroffen sind. Zu Beginn sprechen Vertreter:innen dieser benachteiligten absoluten Mehrheit: Maria John (Doktorandin, BOKU) und Vera Pfanzagl (Elise-Richter-Netzwerk, BOKU) illustrieren, wie sich die aktuelle Perspektivenlosigkeit und die mangelnde Attraktivität der Universitäten als Arbeitgeberinnen auf ihre Arbeit und ihr Leben als Wissenschafter:innen auswirken: Unsicherheiten in Bezug auf die Familienplanung oder die Integration von Auslandsaufenthalten. Sie müssen immer Fristen im Blick behalten, die sich auf Verlängerungsoptionen auswirken.

Gerda Müller, die als Vizerektorin der MDW für Personalfragen zuständig ist und gleichzeitig Vorsitzende des Dachverbands der Universitäten ist, hob die Herausforderungen in der Finanzierung hervor und plädierte für mehr Transparenz, insbesondere in Bezug auf §109 UG und die Kriterien für potenzielle Entfristungen. Sie betonte die Notwendigkeit eines Sonderarbeitsrechts mit ausgedehnten Befristungsmöglichkeiten, denn es gebe auch eine nicht zu unterschätzende menschliche Dimension, die mit Kündigungen vor allem aus budgetären Gründen verbunden sei.  

Auch der AK-Arbeitsrechtsexperte Wolfgang Kozak hebt dieses Sonderarbeitsrecht und die Komplexität von §109 UG streicht hervor. Er betont, dass die derzeitigen Regelungen unterschiedliche Auslegungen erlauben. Das führt sowohl bei betroffenen Mitarbeiter:innen als auch bei juristischen Beratungsstellen zu Verwirrung und Unsicherheit.

Die Diskussion verlief größtenteils harmonisch. Ein kontroverser Punkt betraf die Kultur des Arbeitsrechts an den Universitäten. Es wurde darauf hingewiesen, dass ein Wandel hin zu einer Beschäftigungskultur notwendig ist, um langfristige Perspektiven für das wissenschaftliche und künstlerische Personal und die Universität zu schaffen. Dies betrifft insbesondere den Umgang mit der wachsenden Gruppe der über Drittmittel finanzierten Beschäftigten. Diese Gruppe ist fast ausschließlich befristetet angestellt. Dabei wird nur an sehr wenigen Standorten eine umfassendere Personalpolitik für diese Gruppe betrieben. Der „Automatismus“, der mit dieser Befristungspraxis verbunden ist, führt alle paar Jahre zu einem ständigen Austausch an Mitarbeiter:innen. Das bedeutet maximale Flexibilität für Unileitungen bei gleichzeitig maximaler Planungsunsicherheit für die Betroffenen – und damit schließt sich der Kreis zu den Eingangsstatements der Betroffenen. Die Diskussion hat erneut gezeigt, dass die Betroffenen sich als die Verlierer:innen des derzeitigen Wissenschaftssystems sehen und sich als „Arbeitskraftunternehmer:innen“ (eine spezifische Art von Einzelunternehmer:in, die von Hans J. Pongratz geprägt wurde), sich also eine schwache Position in dem gesamten Gefüge zuschreiben.

Hier sind wir als Gewerkschafter:innen gefragt, den Dialog mit den Vertreter:innen der Universitätsleitungen und den Vertreter:innen aus der Politik weiterzuführen, um gemeinsam nachhaltige Lösungen zu entwickeln.

Diese Veranstaltung wurde in Kooperation mit der Arbeiterkammer Wien und dem ÖGB Verlag durchgeführt. Eine Aufzeichnung der Veranstaltung findet sich unter https://www.youtube.com/live/gWepdKlMtp4?si=ZSel7cw3U_T7h5BH.


Neues Regierungsprogramm– Eine erste Einschätzung

Untertitel

Die Regierungsverhandlungen hielten uns um den Jahreswechsel auf Trab. Seit März ist die Koalition von ÖVP, SPÖ und Neos fix und im aktuellen Regierungsprogramm werden an mehreren Stellen vertiefend auf Innovation und Forschung sowie den Stellenwert von Wissenschaft eingegangen.
Wir sahen uns die Passagen zu Forschung (S. 39ff, S. 175-179) und Wissenschaft (S. 193-197) genauer an: In der Folge eine erste Einschätzung.

 Was ist für das Erreichen von guten Arbeitsbedingungen und in Folge für gute Wissenschaft wesentlich?
Die öffentlichen Universitäten sind die wichtigsten Institutionen im tertiären Bildungssektor Österreichs. Sie haben eine Schlüsselfunktion in Bezug auf die Ausbildung zukünftiger Wissenschaftler:innen, hochqualifizierter Fachkräfte sowie Lehrer:innen. Sie zählen zu den bedeutendsten wissenschaftlichen Institutionen Österreichs. Öffentliche Universitäten decken eine breite Palette an Forschungsbereichen und -disziplinen ab. Insbesondere im Bereich der Grundlagenforschung sind sie zentral für den Forschungsstandort Österreich. Diese Prämissen sind aus unserer Sicht deutlicher als bisher herauszustreichen. 

Im Regierungsprogramm findet sich ein Bekenntnis zur Inflationsabgeltung für ausgegliederte Einrichtungen (S. 199). Das sehen wir als sehr positiven Impuls. Aus unserer Sicht sollte jedoch klargestellt werden, dass diese Inflationsabgeltung auch auf die Zuweisungen für Universitäten in den kommenden Leistungsvereinbarungsperioden 2025-2027 und danach Anwendung findet. 

Trotz der schwierigen budgetären Situation des Bundes erscheint es uns für die Sicherung des Wissenschaftsstandort Österreich zentral, eine deutliche Erhöhung der Basisfinanzierung der Universitäten zu erreichen, die stärker gesteuert durch das Wissenschaftsressort erfolgt. Diese Steuerung könnte gebunden sein an

  • eine stufenweise Reduktion befristeter Arbeitsverhältnisse, bis zur Erreichung einer Quote von etwa zwei Drittel unbefristeter Anstellungen im wissenschaftlichen Personal;
  • eine verpflichtende Erarbeitung von vollständigen Personalstrukturplänen durch die Rektorate;
  • ein verpflichtendes Angebot von Qualifizierungsvereinbarung für alle Postdocs und mit Erreichen dieser eine Entfristung;
  • eine familienfreundliche und nachhaltige Anstellungspolitik soll struktureller Diskriminierung vorbeugen und ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Fluktuation und Kontinuität innerhalb des Personals sicherstellen;
  • eine marktkonforme Bezahlung des allgemeinen Personals, um hoher Personalfluktuation im Bereich der Spezialist:innen vorzubeugen.

Es gibt ein Bekenntnis zur Erhöhung der Forschungsquote auf über 4 % des BIP (S. 39). Diese Mittel sind nicht nur im Bereich angewandter Projekte von Wirtschaftsunternehmen zu gewähren, sondern es ist auch darauf zu achten, dass Mittel auch in den Ausbau der Drittmittel für Forschung an Universitäten fließen, wobei auf ein ausgewogenes Verhältnis zur Basisfinanzierung zu achten ist.

Die Mehrheit der Lehrenden und Forschenden an den Universitäten ist mit einem hohen Maß an beruflicher Unsicherheit und Prekarität konfrontiert. So haben etwa drei Viertel der Beschäftigten des wissenschaftlichen Personals an den österreichischen Universitäten ausschließlich befristete Verträge mit negativen Auswirkungen auf das Privat- und Familienleben. Gründe liegen in der mangelnden finanziellen Basisausstattung der Universitäten, in der einseitigen Perspektive akademischer Karrierewege sowie einer arbeitsrechtlichen Situation, die die gelebten Realitäten an den Universitäten nicht abbildet. Die „Hochschulautonomie“ brachte zwar für Universitätsleitungen mehr Spielräume bei der inhaltlichen Ausrichtung, führte jedoch auch zu einer Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse. Möglich wurde dies durch zahlreiche Sonderregelungen im UG, insbesondere jene im §109 geregelten Ausnahmen vom allgemeinen Arbeitsrecht. Seit 2004 erfolgten zahlreiche Novellierungen des UG. Insbesondere die Novelle 2021 steht dabei bis heute aufgrund der Verschärfung der Befristungssituation durch den neu formulierten §109 stark in der Kritik.

Im Regierungsprogramm (S. 194) wird darauf hingewiesen, dass die Universitäten attraktive Arbeitgeberinnen werden bzw. bleiben sollen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Regelungen in § 109 UG und dem Kollektivvertrag so formuliert werden, dass sie ein Gleichgewicht zwischen Arbeitsplatzsicherheit und einer leistungsorientierten Ausrichtung in der akademischen Welt schaffen. Die Vorbereitung dieser Anpassungen sollte von einem Dialogprozess begleitet werden, in den Betroffenengruppen und Stakeholder (insbesondere die Gewerkschaft!) einbezogen werden, um eine grundlegende Überarbeitung des UG zu erörtern, insbesondere in Bezug auf die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen bzw. § 109. Besonders spannend wäre es, wenn es gelingen könnte, eine Art Zukunftslabor oder „Science-Dialog“ als partizipativen Prozess zur Diskussion über und Ausarbeitung von konkreten Vorschlägen für die Neugestaltung und Neuorganisation der Wissenschaftswelt zu initiieren. 

Durch den freien Hochschulzugang und die Bereitstellung gesellschaftlich relevanten Wissens haben sie darüber hinaus das Potential stark in die Gesellschaft hineinzuwirken. Das wohl wichtigste Alleinstellungsmerkmal der Universitäten ist die gesetzlich verankerte Verbindung von Forschung und Lehre, also die aktive Einbindung aktueller Forschung in die Lehre sowie die Rückwirkung von Fragen und Perspektiven der Studierenden in die Forschung. Viele der aktuellen Herausforderungen und Probleme an den Universitäten sind in der durch das UG02 definierten, stark hierarchischen und wenig demokratischen Grundstruktur begründet. Zwar existieren demokratisch gewählte Gremien wie Universitätssenate und Betriebsräte, doch haben diese real wenig Einfluss auf universitätspolitische Entscheidungen. Seitens der Universitätsleitungen werden Entscheidungen oft mit geringer Transparenz und aus einer starken Top-down-Logik heraus getroffen. Dies entspricht weder einer vielfältigen Wissenschaftslandschaft noch dem Ideal einer „autonomen“, sich selbst verwaltenden Universität. Neben den Universitätsleitungen haben vor allem Professor:innen unverhältnismäßig großen Einfluss im Universitätsgefüge. In allen universitären Gremien verfügen sie defacto über absolute Mehrheiten, während die große Zahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen sowie der Studierenden nur wenig Mitspracherecht hat:

  • Schaffung neuer Teilhabe- und Partizipationsformen die die Drittelparität (Professor:innen – ‚Mittelbau‘ – Studierende) gewährleisten und eine Beteiligung an Entscheidungsprozessen wie der Definition gesellschaftlich relevanten Wissens, strategischer Ausrichtungen, Personalentscheidungen uvam. ermöglichen;
  • Stärkung inneruniversitärer demokratischer Strukturen im Sinne einer gelebten Hochschulautonomie (etwa mehr Mitspracherechte der Betriebsräte im Universitätsrat);
  • Schaffung von Anreizen zur Etablierung von kooperativen Faculty-Modellen und zur Enthierarchisierung von Fakultäts- und Institutsstrukturen.

In den kommenden Wochen und Monaten wird sich zeigen, wie es der neuen Bundesministerin Eva-Maria Holzleitner und ihrem Team gelingt, die im Regierungsprogramm aufgeführten Vorhaben umzusetzen.

Die für das Frühjahr geplante erneute UG-Reform ist bereits eine Nagelprobe dafür, in welche Richtung das Team im Wissenschaftsministerium gehen wird und ob es ihm gelingt, das Motto des Regierungsprogramms „Jetzt das Richtige zu tun“ auch umzusetzen.

(Für inhaltliche Rückfragen steht Angelika.Schmidtsymbolmy.goedpunktat gerne zur Verfügung.)


Lust zur Mitbestimmung?

Dann meldet euch für Senats- oder Betriebsratswahlen und übt euer Wahlrecht aus!

In diesem Jahr finden an vielen Universitäten im Frühsommer und Herbst Wahlen statt. Vor dem Sommer werden an vielen Standorten die Senate gewählt. Im Herbst sowie Anfang 2026 finden an sehr vielen Standorten Betriebsratswahlen statt. Beide Wahlen bieten die Möglichkeit zur Teilhabe an Entscheidungsprozessen.

Der Senat bildet zusammen mit dem Universitätsrat und dem Rektorat die oberste Leitungsebene der Universität. Er ist somit ein wichtiger Akteur zur universitätsinternen Umsetzung der Idee von einem ausbalancierten Machtausgleich (Checks and Balances) bei langfristig bedeutsamen Entscheidungen. Es liegen dort wichtige Mitwirkungsrechte bei der Organisations- und Entwicklungsplanung der Universität. Die Funktionsperiode für dieses Gremium ist im UG festgelegt und beträgt drei Jahre. 

Der Betriebsrat ist die gesetzliche Vertretung für die sehr heterogene Belegschaft der Beschäftigten im wissenschaftlichen und künstlerischen Bereich. Die Gruppe der zu vertretenden reicht von Professor: innen mit Vollzeitstellen bis zu teilbeschäftigten Lektor:innen mit manchmal nur einsemestrigen Dienstverträgen und einer Anstellung für wenige Wochenstunden. Der Anspruch besteht darin, diese Vielfalt umfassend zu vertreten und dabei auch die schwächeren, am Rande stehenden Gruppen aktiv zu vertreten und zu unterstützen. Betriebsratsgremien haben somit eine Vielzahl von Arbeitsschwerpunkten. Die Funktionsperiode des Betriebsrates beträgt fünf Jahre nach ArbVG.

Die grundlegende Maxime der Arbeit dieser Gruppen ist die Gewährleistung guter Arbeitsbedingungen, hoher Freiheitsgrade und Vielfalt in Forschung, Lehre und Erschließung der Künste und eines hohen Arbeits- und eines persönlichen Datenschutzes.

Wenn ihr Lust und Interesse habt, euch im Rahmen dieser Mitbestimmungsmöglichkeiten an den Entscheidungsprozessen der Universität zu beteiligen, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt. Meldet euch, um für den Senat bzw. den Betriebsrat zu kandidieren. Vergesst natürlich auch nicht, an den jeweiligen Wahlen teilzunehmen. 

Auf eure Beteiligung und eure Stimme kommt es an!